Tabubruch.

Manchmal muss man Dinge tun, von denen man immer dachte, man würde davon verschont bleiben. So manch schlaflose Nacht lag vor dem gestrigen, ereignisreichen Tag. Große Dinge warfen ihre Schatten voraus. Der eigene Charakter schien sich auf eine Gradwanderung zu begeben. Was wohl die eigene Familie denken würde? Drohte die gesellschaftliche Isolation? Wie sollte mein Leben danach weitergehen? Musste ich das Land verlassen? Gut vorbereitet und dennoch von einem unguten Gefühl begleitet ging es los, der Puls bereits auf 120.

Auch beim Betreten der Bühne in dem Saal im Hinterhof eines Hauses in Wiesbaden war mir nicht klar, was mich erwarten würde. Ob die vielen Farben, die ich in dem Moment wahrnahm, auf eine nahende Ohnmacht schließen ließen? Oder war der Saal wirklich so bunt? Nicht nur die Wände: nein auch farbenfrohe Wesen schienen sich in ungeordneter Weise in alle Richtungen zu bewegen. Augen zu und durch, es wird nicht so schlimm werden.

Die ersten Töne von “Bier her, Bier her! Oder wir fallen um!” sorgten für nahezu extatische Zustände bei den buten Objekten zu meinen Füßen. Diese hatten auch Stimmen und entpuppten sich als Menschen- unfassbar. Im Nu stimmten wir auch schon “Bier ist die Seele vom Klavier” an. Weitere extatische und verzückte Schreie. Noch war ich am Leben. Gefährlich wurde es erst beim Höhepunkt unserer Show: Es gibt kein Bier auf Hawaii. Ich habe das nie überprüft, aber vielleicht stimmt das echt. Das würde zumindest die absolute Inbrunst erklären, mit welcher die menschlichen Bunt-Wesen im Zuschauerraum mitsangen. Solch ehrliche Textzeilen kann man nur singen, wenn der Inhalt den Tatsachen entspricht. Merke: Nicht nach Hawaii. Zumindest nicht ohne Bier. Der fast militärische Gesang bei diesem Lied ließ mich erschaudern. Dann aprubte Stille.

Noch kurz überwunden und das eine oder andere zaghafte “Helau” gerufen- aus Angst, sonst gelyncht zu werden. Offensichtlich ist dies ein freundlicher Gruß, denn wir wurden unter rythmischem Klatschen von der Bühne geführt. Vielleicht eine Art Friendserklärung?

Wie auch immer: Ich lebe noch. Aber ich habe das Gefühl, davon irgendwann einmal meinem Therapeuten zu berichten.

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