Worte prägen unsere Wahrnehmung. Welche ich benutze, wirkt sich stark auf die Dynamik der Kommunikation, die Emotionen, die Wahrnehmung und Meinungsbildung unseres Gegenübers aus. Insbesondere in der Situation jetzt, in der viele von uns verteilt arbeiten und Kommunikation stark über Videokonferenzen stattfindet, gewinnen Worte – vielleicht muss man sogar sagen leider – eine größere Bedeutung, da Gestik und Mimik nur eingeschränkt wahrgenommen werden können. Implizite Kommunikation ist schwierig und erfordert, dass wir andere Wege finden, Emotionen zu erkennen und unsere Wahrnehmung abzugleichen.
Vielleicht ist die Corona-Krise deshalb eine tolle Gelegenheit, unsere Sprache bewusster zu gestalten. Darauf zu achten, was wir sagen, welche Muster wir verwenden und welche Wirkung sie auf andere haben.
In diesem Artikel schreibe ich einen kleinen Streifzug durch meine Gedanken dazu nieder und freue mich, wenn für euch etwas Griffiges dabei ist.
Als Co-Active Coach hilft mir hier meine Haltung: “People are naturally creative, resourceful and whole.” Genau so sollten wir Menschen auch in der Sprache begegnen: Positiv zugewandt, in dem Vertrauen, dass sie OK sind.
Sage, was du willst und nicht was du nicht willst.
Von Kindesbeinen an hören wir Sätze wie: “Mach das nicht” – “Lass das sein” – “Nicht die Wand anmalen”. Ganz abgesehen davon, dass das Wort “nicht” von kleinen Kindern gar nicht verstanden wird, da es bestimmte logische Denkprozesse voraussetzt, die sich erst entwickeln müssen, erleben wir dadurch Verneinung und Ablehnung schon früh als wichtigen Bestandteil in der Sprache und somit auch in unserem Bewusstsein. Das setzt sich in unserer Haltung und unseren Sprachmustern fort. Man sieht das zum Beispiel daran, dass das Wort “nicht” unter den Top 20 der am häufigsten verwendeten deutschen Worte ist.
Wir haben also eine Nein-Sager-Kultur und schaffen uns selbst kommunikative Barrieren, halten oft Kreativität und Denken sprachlich auf und sorgen dafür, Dinge zu stoppen, statt Gestaltung zu ermöglichen. Dabei gibt es eine einfache Alternative dazu, die nur ein wenig Kreativität erfordert, weil sie so ungewohnt ist für uns: Statt zu sagen, was wir nicht wollen, sollten wir sagen, was wir möchten. Life Hack. Das öffnet Räume, statt sie durch eine Verneinung zu schließen.
Ein Beispiel:
“Der Kunde darf auf keinen Fall den Auftrag stornieren.” Nimm dir ruhig einige Sekunden, um dir zu überlegen, wie er auf dich wirkt. Aus dem Mund eines Vertriebsleiters wirkt er vielleicht sogar bedrohlich. Er schränkt handeln ein und schließt alle Räume dazu.
Diesen Satz kann man positiv formulieren und dadurch Räume zur Gestaltung öffnen, welche die Kommunikation und Kreativität fortschreiten lassen. Ein Beispiel: “Ich möchte, dass wir dem Kunden soweit entgegenkommen, damit der Auftrag bestehen bleibt.” Nimm dir ein paar Sekunden und lass auch diesen Satz auf dich wirken. Vielleicht merkst du einen Unterschied.
Um einem Missverständnis vorzubeugen: Ich verlange nicht, Ablehnung oder Verneinung aus dem Sprachgebrauch zu streichen. Das wird auch nicht gehen. Wir können durch das Vermeiden von sprachlichen Einschränken und Verneinungen dennoch darauf achten, etwas Positives und Öffnendes daneben zu stellen, um Lösungsräume zu erschaffen.
Beziehe die Situation deines Gegenübers mit ein
Wir neigen grundsätzlich dazu, die Eigenschaften, Einstellungen und Meinungen anderer(!) Menschen bei der Bewertung ihres Handelns viel zu stark zu berücksichtigen und die jeweiligen Umstände, in denen sich eine Person befindet, zu stark auszublenden. Dieser sog. Attributionsfehler tritt in Remote-Work-Zeiten durch die Entfernung und fehlende direkte Wahrnehmung noch stärker zu Tage.
Es lohnt sich, dessen bewusst zu sein und genauer hinzuschauen, bevor wir zu sehr geneigt sind, ein verzerrtes Bild wahrzunehmen. In Kommunikation bedeutet dies, dass der persönlichen Lage einer Person mehr Beachtung geschenkt werden sollte und dies auch benannt wird. Hinterfrage mehr: “Was hat dich zu Entscheidung A gebracht” oder “wie kommst du zu diesem Vorgehen”?
Umgekehrt antizipieren wir auch ein bestimmtes Verhalten und interpretieren im vorauseilenden Gehorsam durch die räumliche Entfernung stark ein möglicherweise auftretendes Verhalten. Auch hier gilt: Hinterfrage, hinterfrage, hinterfrage. Sei Neugierig auf die Situation des Gegenübers und ziehe sie mit ein deine Überlegungen ein.
Die simpelste Form der Wertschätzung: Danke.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist wertschätzende Sprache. Ein “Danke” macht einen riesigen Unterschied. Es gibt viele alltägliche Situationen, in denen wir viel zu wenig Danke sagen:
- Danke für deinen Rückruf / Anruf
- Danke für deine schnelle Antwort
- Danke für deinen Beitrag, das war sehr inspirierend
- Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt
- Danke für das effiziente Meeting
- Danke für die vielen Ideen
- Danke, dass wir alle zusammen arbeiten dürfen
Natürlich rede ich hier von einem authentischen und ernst gemeinten Danke. Das geht runter wie Öl, schafft Vertrauen und integriert Menschen. Ein “Danke, dass wir heute mal pünktlich beginnen konnten” wirkt hier eher gegenteilig.
Den Beitrag der Menschen sichtbar machen
Durch das derzeit stark verteilte Arbeiten ist vieles, was Menschen tun, nicht (mehr) sichtbar und wird somit auch zu wenig wahrgenommen. Deshalb lohnt es sich umso mehr, den Beitrag der Menschen zur Wertschöpfung zu benennen und zu würdigen. Das kann Einzelnen gegenüber passieren oder auch dem ganzen Team gegenüber. Gesehen werden, Wertschätzung für das eigene Tun zu erfahren und somit Teilhabe am Ganzen zu verspüren, adressiert wichtige menschliche Bedürfnisse.
Am schönsten ist es, wenn ein Team dies selbst tut. Eine ganz einfache Möglichkeit dazu bieten Blitzlichtrunden zu Beginn eines Meetings (bspw. eines Dailys): Jede*r wird eingeladen, eine Minute zu erzählen, was ihn gerade umtreibt, beschäftigt und wie seine persönliche Lage gerade ist.
Digitale Kudo-Karten funktionieren auch remote super: Mache Gebrauch davon, um Beiträge einzelner Personen oder Teams sichtbar zu machen, bspw. indem eine Kudo-Card in einem Slack-Channel gepostet wird, der einigen relevanten Menschen zugänglich ist.
Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch
Dadurch, dass wir uns stark in oft ruckeligen Videocalls sehen, mag es sein, dass wir bestimmte Emotionen unseres Gegenübers nicht richtig oder falsch verstehen. Es lohnt sich also, bewusst hinzuschauen und seine eigene Wahrnehmung abzugleichen und dies auch zu äußern.
Das bringt gleich mehrere Vorteile: Ist unser Gegenüber mit der eigenen Sicht nicht einverstanden, wird es das benennen und korrigieren. Passt die Wahrnehmung zur emotionalen Lage, entsteht Vertrauen, wir sehen uns einander und können Lösungen entwickeln.
Nimm also Emotionen bewusst wahr und spiegle deine Wahrnehmung deinem Gegenüber: “Ich sehe, dass dich das gerade sehr verärgert und ich kann das gut verstehen… Ich habe einen Vorschlag: Lass uns doch…”
Der Dreiklang Wahrnehmung (Beobachtung) – Wirkung auf dich (Gefühl) – Wunsch (für eine zukünftige Handlung) ist für mich ein fast täglich angewandtes Muster, was mir hilft, mich insbesondere in Konfliktsituationen zu kalibrieren und angemessen wertvolles Feedback zu geben.
Zeige Demut
Statt Menschen zu sagen, wo sie hin sollen, sollten wir ihnen auf Augenhöhe begegnen und im Dialog gemeinsam austarieren, wo wir gerade stehen. Sende dabei Ich-Botschaften und verzichte auf Pauschalisierungen. Statt “ihr kommt ja immer zu spät” lieber ein “ich wünsche mir, dass wir pünktlich beginnen können.” Hinter jeder Aussage stecken Hinweise auf unerfüllte Bedürfnisse. Indikatoren dafür sind Äußerungen über Emotionen. Schaue, welche unerfüllten Bedürfnisse sich hinter einer Aussage verstecken könnten und hinterfrage diese. Hilfreich dabei ist das Formulieren von Bitten als Alternative zu Appellen. Diese sollten rund um Stärken formuliert werden.
Konkrete Sprachtipps
Zum Schluss dieses kleinen Ausflugs habe ich noch ein paar kleine Sprachtipps, die mir im Alltag helfen und bei denen es sich für mich lohnt, sie bewusst in die eigene Sprache zu integrieren:
- Verwende lieber “und” statt “aber” – die Wirkung ist fast magisch
- Lade Menschen wortwörtlich ein: “Ich möchte euch einladen, heute mit mir in diesem Meeting X zu besprechen.”
- Sprich von Menschen. Nicht von Kolleg*innen oder Mitarbeiter*innen. Einfach Menschen.
- Statt “ich muss noch die Steuererklärung machen” sag “ich will noch die Steuererklärung machen”
Welche Tipps für bewusstere Sprache habt ihr?
Ich freue mich, wenn ihr mir eure Gedanken und Tipps sendet, wie ihr mit Sprache im Alltag bewusst umgeht.